STIMMUNGSBILDER – Teil 4



Silvija Kasper
Liebenauer Hof

Im Interview berichtet Silvija Kasper, Inhaberin des Liebenauer Hofes, von den Herausforderungen denen sie sich seit Beginn der Corona-Krise gegenübersieht. Bei den Stimmungsbildern geht es um eine authentische Wiedergabe der Erlebnisse und Sichtweisen von Unternehmern im Bezug zum Zeitgeschehen im Moment des Gesprächs. Wir möchten an dieser Stelle ausdrücklich festhalten, dass diese Gespräche mit Unternehmern aller Couleur erfolgen und daraus nicht zwingend eine Nähe zu unserer Organisation oder eine bestimmte politische Zugehörigkeit abgeleitet werden kann.

Silvija Kaspar ist Gastronomin aus Leidenschaft

Beim ersten Lockdown hatte ich, wie viele andere auch, noch Angst vor dem Virus. Unter meinen Kunden sind auch viele Pensionisten und ich wollte auf keinen Fall schuld daran sein, dass Personen aus meinem Umfeld erkranken und habe die Maßnahmen verstanden. Nach dem ersten Lockdown hat es dann aber mit den planlos anmutenden Maßnahmen begonnen. Zehn Personen an einem Tisch, sechs Personen an einem Tisch und so weiter. Zur gleichen Zeit habe ich in der Zeitung von der Genehmigung einer Hochzeit in Niederösterreich mit 350 Personen gelesen. Da bin ich mir als Gastronomin schon veräppelt vorgekommen. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich weder, dass mit einer Bewilligung auch größere Veranstaltungen möglichen gewesen wären, noch wo ich um eine solche Bewilligung hätte ansuchen können. Im Oktober kam dann die Zeit der Sicherheitskonzepte mit Hilfe eines Covid-Beauftragten. Mir wurde damals gesagt, „wenn du mehr als 50 Sitzplätze hast, dann brauchst du einen Covid-Beauftragten“. Daraufhin habe ich nachgeschaut, wo es einen solchen gibt. In Salzburg, im Burgenland und in Wien hat es welche gegeben, aber in der Steiermark nicht. Danach habe ich an einem Online-Kurs zum Thema Erstellung eines Präventionskonzepts teilgenommen. Aber im November mussten wir dann ohnehin alle schließen. Für uns war das kein Lockdown light. Auf uns haben sie es immer abgesehen. Ob Registrierkasse, Rauchergesetz und jetzt Covid, die Gastro hat nie einen leichten Stand.

Mittlerweile reden sie schon vom vierten Lockdown, aber die Gastro ist immer noch im zweiten. Zuerst haben sie uns die Weihnachtsfeiern weggenommen, im Sommer dann die Geburtstagsfeiern und Feste. Ganz ehrlich: Zehn Personen kann ich auch zuhause bewirten. Unsere Feiern hier sind mit 30, 40 oder 50 Personen. Dafür ist ein Gasthaus da, und diese Umsätze haben uns im Sommer schon gefehlt. Dann bekamen wir die Erlaubnis take-away zu verkaufen. Aber am Essen verdient der Wirt nicht viel, das weiß doch jeder. Da fehlen die Getränke, das ist mein Gewinn. Diejenigen, die das alles beschließen haben anscheinend nicht einmal davon eine Ahnung. Als typisches Gasthaus bin ich nicht der McDonald´s oder der Burger King, der auf so etwas spezialisiert ist. Ich habe mich beim Lieferservice angemeldet. Dafür, dass sie mit dem Rad nur im Umkreis von 3 km zustellen bezahle ich 30 % vom Umsatz. Wieviel bleibt da denn noch für mich als Gewinn übrig?

Über die Gastronomen hört man oft, dass die lange zu still gewesen wären. Von unserem Branchenvertreter in der Wirtschaftskammer war in den letzten sechs Monaten nichts zu hören. Ich weiß nicht, ob er in Quarantäne oder Kurzarbeit war. Ich verstehe das nicht. Der Handel hat bessere Branchenvertreter. Nach sechs Wochen haben die schon geschrien „Der Handel stirbt“. Die durften dann auch wieder öffnen. Von der Gastro war nichts zu hören. Dabei ist die schon seit November zu. Wenn ich daran denke, dass fast jeder einzelne von uns kleinen Gastwirten mehr Steuern in Österreich abführt als Starbucks, dann meine ich, dass wir auch eine bessere Vertretung und mehr Wertschätzung von der Regierung verdient hätten. Ich war die Einzige aus der Steiermark, die an der Demonstration 5 vor 12, die von der Wiener Gastronomie veranstaltet wurde, teilgenommen hat. Ich hätte mir gewünscht, dass auch andere steirische Wirte teilnehmen, schließlich geht es ja um uns alle. Aber so ist Österreich. Alle schimpfen gerne, aber sobald es ernst wird hat jeder Angst um das, was ihm noch geblieben ist. Das Einzige was unser Branchenvertreter übrigens dazu gesagt hat war, dass er nicht versteht warum wir demonstrieren. Weil ich die einzige Teilnehmerin aus der Steiermark war und auch ein Video hochgeladen habe, habe ich danach eine Einladung von Servus TV bekommen. Unsere Anliegen ausführlich im Fernsehen erörtern zu dürfen bringt uns auf alle Fälle weiter, als untätig zu bleiben.

Der Liebenauerhof unterstütz die Aktion “5 vor 12”

Uns läuft das Personal davon. Viele suchen sich einen anderen Job, weil sie in der Gastronomie einfach keine Perspektive mehr sehen. Nicht nur wir, auch unsere Angestellten können so gut wie nichts planen. Nur ein Gastronom in Wien, dem man eine gewisse Nähe zur Politik nachsagt, weiß schon im Jänner, dass er erst frühestens für April Reservierungen entgegennehmen kann. Ich fühle mich von der Politik belogen, weil sie uns nicht die Wahrheit sagt und was unsere Zukunft betrifft uns im Ungewissen lässt. Ich wünsche mir, dass die Politik ehrlicher mit uns umgeht.

Ich habe ein Gasthaus und bin meine Gäste gewohnt. Ich kenne meine Stammgäste, ich kenne ihre Familien bis hin zu ihren Kindern. Das sind Freundschaften. Jetzt stehe ich alleine in der Küche. Das ist traurig und nicht leicht zu verkraften. Mein Bier habe ich verschenkt, weil es ohnehin abgelaufen wäre. Was soll ich machen? Das alles ist einfach zum Verzweifeln.

Umsatzersatz habe ich bekommen. Im November waren es 80 % vom Vorjahresumsatz, davon waren aber die SVA Abgaben und die doppelten Gehälter zu bezahlen. Im ersten Lockdown haben wir noch gar nichts bekommen. Im November 80 %, im Dezember 50 %, im Jänner und Februar jeweils 15 %. Wenn ich nun den Durchschnitt davon hernehme wird jedem ersichtlich, dass von uns damit wohl keiner reich geworden ist. Dazu kommt noch, dass die Stundungen, für viele auch noch zu einem Problem werden. Selbst wenn wir wieder aufsperren dürfen, wird der Umsatz sicher nicht mehr der gleiche sein wie vorher. Einerseits wegen der vielen Auflagen, andererseits weil sich viele daran gewöhnt haben ihr Bier mit Freunden zuhause zu trinken. Wenn die Leute weniger Geld zur Verfügung haben wird das auch so bleiben fürchte ich. Zuhause können die Leute rauchen und sich der Kontrolle des Staates entziehen.

Meine Stammgäste sind sehr loyal. Die, die normalerweise nur an der Theke stehen und noch nie etwas bei mir gegessen haben holen sich jetzt hin und wieder sogar Essen bei mir ab. Das tun sie, weil sie loyal sind, mich sehen möchten und mir irgendwie helfen wollen. Dafür bin ich ihnen dankbar.

Die Freiheitliche Wirtschaft hat Silvija Kaspar besucht und zu ihrer Lage befragt. Von links: KR Dr. Erich Schoklitsch, Silvija Kaspar, Birgit Eberhard

Die Freiheitliche Wirtschaft hat Silvija Kaspar besucht und zu ihrer Lage befragt.
Von links: KR Dr. Erich Schoklitsch, Silvija Kaspar, Birgit Eberhard

Wenn wir die Gastgärten dann öffnen dürfen frage ich mich, was mache ich mit dem Personal, wenn es regnet? Absagen, heimschicken? Das geht doch nicht. Und was machen jene Gastronomen, die keinen Gastgarten haben? Ob sich für einen spontanen Kaffee alle testen lassen wollen ist eine andere Frage. Solange die Maßnahmen mit derartigen Einschränkungen verbunden sind und das Procedere so kompliziert ist, werden die Leute sich ihr Getränk im Supermarkt kaufen und sich in der Augartenbucht, an der Mur, im Stadtpark oder sonst wo damit in die Sonne setzen. Die Regierung bringt die Gastro um. Mittlerweile bin ich so weit, dass ich am liebsten alles hinschmeißen würde, um mir eine Arbeit in einer anderen Branche zu suchen. Ohne Gruppen und Feste gibt es in Wahrheit keine wirtschaftliche Perspektive für mich. Ich glaube viele von uns werden einfach nicht mehr können und gar nicht mehr aufsperren.

Wenn ich meinen Mann nicht hätte, hätte ich nicht bis heute durchgehalten. Wo ich mich in einem Jahr sehe? Ich weiß es nicht.